Markus Altenburger

WP: Weisses Papier
MA: Markus Altenburger

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Im Leben führt manchmal der Zufall Regie. Uns hat ein solcher Zufall zusammengebracht, weil wir fast zur selben Zeit begonnen haben über „Weißes Papier“ nachzudenken und einen Neustart gewagt haben. Dein weißes Papier heißt „Blank“ und ist ein Schaumwein aus 100% Neuburger. Was hat es damit auf sich?

MA
Dazu muss ich ein bisschen ausholen und ins Jahr 2006 zurückgehen. Da beschloss ich meinen alten Job an den Nagel zu hängen und ins Weingut meines Vaters einzusteigen. Damals kaufte ich Trauben zu, versektete die Mengen dann im Lohnverfahren zu einem recht passablen Schaumwein. Der Brut Rosé verkaufte sich gut, wir haben viel über das Marketing nachgedacht, eigene Vertriebswege aufgemacht und in Verpackungsdesign investiert. Irgendwann wurde mir das alles zu viel, es schien nicht mehr um den Wein zu gehen, sondern viel mehr um das Drumherum. Der Wein wurde zu einer leeren Hülle, von meiner Art wie ich die Dinge eigentlich tun wollte war das weit entfernt. Wo Altenburger draufsteht, sollte mehr Altenburger drin sein. Ich wollte mir und meinem Wein wieder näher kommen, ganz ohne Schnickschnack und unnötigem Dekor. Das war die Geburtsstunde von „Blank“.

WP
Auf einem weißen Blatt beginnen zu können ist ein gesegneter Zustand. Aber ist das Leben tatsächlich ein unbeschriebenes Blatt, oder gibt es etwas was immer schon da war? Etwas das uns determiniert, wie zum Beispiel die Tatsache, dass auf eurem Weingut seit Jahren kaum mehr etwas anderes gepflanzt wird als Blaufränkisch?

MA
Nun ja, wir sitzen in einem Gebäude das von drei Generationen bewohnt wird. Hier wird seit ein paar Jahrhunderten Wein gemacht. Die Reben die mein Großvater gepflanzt hat liefern zum Teil heute noch die Trauben für meinen Wein. Was das betrifft sind wir alles andere als ein weißes Papier. Aber was die Geisteshaltung hinter dem Weinmachen anbelangt sehr wohl. Da hatte ich von Anfang an die Chance und den Anspruch auf einen Nullstart. So wie mein Vater vor mir seinen Wein gemacht hat, darf ich heute meinen machen. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht, ob meinem Vater mein Wein schmeckt, aber er respektiert meine Art die Dinge zu tun. Der Blaufränkisch war über alle Generationen hinweg eine Konstante, etwas das auch ich nicht hinterfragen musste. Er ist meine Orientierung im Dschungel der Moden und Rebsorten, eine fixe Größe und ein roter Faden. Abgesehen davon, dass ich ihn persönlich sehr gern mag, gibt es wohl kaum eine Rebsorte die besser in unsere Gegend passt.

WP
Blaufränkisch heißt in Deinem Fall auch Facettenreichtum. Woher kommt diese Liebe zur Vielfalt?

MA
Allein in Jois gibt es vier verschiedene Bodenarten, die Hangneigung und die Bodenspeicherfähigkeit sind dabei jedes Mal anders. Jede Parzelle wird für sich vinifiziert und ist damit authentisches Abbild der Bedingungen die die Rebe dort vorfindet. Nur so kann man Unterschiede zwischen den einzelnen Rieden herausarbeiten. Es sind die feinen Nuancen die mich reizen und die mich den Blaufränkisch in Jois mehr und mehr verstehen lassen. Ihn und seinen Charakter vollends zu begreifen bleibt vermutlich eine Lebensaufgabe.

WP
Du wirkst wie jemand der genau weiß was er tut – wie sehr weißt Du was Du nicht tust?

MA
Das Neinsagen wird in meinem Leben immer wichtiger. Es ist viel schwieriger als das Jasagen, aber vielleicht gewinnt es gerade deshalb an Bedeutung für mich. Ich verspüre nicht den Zwang alles machen zu müssen. Unser Betrieb ist organisch gewachsen und entwickelt sich langsam zu einem stimmigen Gesamtkonzept. Um diesem Konzept treu zu bleiben, muss man manchmal eben auch „Nein“ sagen können.

WP
Wenn Du an den Weinbau im Allgemeinen und Deinen Betrieb im Besonderen denkst, welche natürlichen Grenzen gibt es für Dich?

MA
Das ist schwer zu sagen, die Betriebsgröße, die ich mir über die Jahre sorgsam aufgebaut habe, ist genau richtig um die nötige Ruhe und Qualität in den Wein zu bekommen. Denn was nützt die beste Bodenbewirtschaftung, wenn dein direkter Nachbar den Boden aufreisst und dein Bemühen damit zunichte macht. Neben den Grenzen die die Natur vorgibt, sehe ich meine Grenzen aber derzeit gar nicht so sehr in der Bewirtschaftung, sondern viel mehr in der Tatsache, dass ich nicht unter Vertriebsdruck geraten möchte. Dann beginnt man sich nämlich von seinem Wein und der für sich entwickelten Stilistik zu entfernen. Wenn Du Deine Arbeit gut machst, wird sich ein Markt finden, egal ob dein Wein trüb, filtriert, klar, orange, weiß oder rot ist. Das ist ein Naturgesetz.

Wenn ich die ersten 30 Jahre meines Lebens nicht mit maßloser Selbstüberschätzung zugebracht hätte, wäre ich zu vielen Überlegungen heute gar nicht fähig.

Markus Altenburger

WP
Wer so sehr mit der Natur verbunden ist, ist ihr in vielen Momenten auch ausgeliefert. 2014 hat es Dir – wie vielen anderen – eine beträchtliche Menge der Flächen verhagelt. Wie gehst Du mit dieser Tatsache um?

MA
In den letzten Jahren hatten wir immer wieder mit Ausnahmesituationen zu kämpfen. Wir werden lernen müssen mit den geänderten klimatischen Bedingungen umzugehen. Planbare Ernten gibt es nicht mehr. Der Hagel tritt bei uns im Burgenland sehr punktuell auf, wenn man hinsichtlich der Flächen ein bisschen breiter aufgestellt ist, kann man die negativen Folgen zwar abfedern, entkommen kann man ihnen jedoch nicht. Die Trauben, die Widrigkeiten wie Hagel und Frost überleben, sind wahre Helden. Ein Grund weshalb ich den Wein aus diesen Lagen genau so genannt habe.

WP
Martin Walser sagte einmal, dass man unter seinem Niveau bleibt, wenn man stets begreift was man tut. Siehst Du das auch so?

MA
Ja, das stimmt absolut (lacht). Denn genau genommen weiß man gar nichts. Aus diesem Nichts entstehen oft die schönsten Dinge. Mit „Blank“ war das ganz genauso. Eigentlich hatte ich mit Neuburger bis zu diesem Zeitpunkt nur schlechte Erfahrungen gemacht. In den Jahrgängen 2013 und 2014 versuchte ich für diesen Wein eine staatliche Prüfnummer zu erhalten. Dazu musste ich ihn verändern, an ihm herumschrauben, bis ich ihn selbst nicht mehr erkannt habe. Der Wein war zu einem einzigen Kompromiss geworden. Also habe ich beschlossen, den Wein ohne Prüfnummer zu machen. So gefällt er wenigstens mir, dachte ich. Ich habe ihn dann in zwei Betoneier gefüllt und gewartet was passiert. Ein guter Freund und Händler aus London hat ihn kurze Zeit später verkostet und mir geraten ihn genau in diesem Zustand abzufüllen. Ich sagte, das mach ich nur, wenn Du 100 Flaschen davon nimmst. Ohne jedes Zögern hat er den Inhalt eines der beiden Betoneier als Stillwein mit nach England genommen. Den Wein aus dem zweiten Ei hab ich versektet. Daraus ist „Blank“ entstanden, und dafür ich bin unendlich dankbar.

WP
Vieles was wir tun ist also das Ergebnis eines Experiments. Wieviel Experiment verträgt Dein Wein?

MA
Das ist sehr unterschiedlich. Am liebsten experimentiere ich im High-End-Bereich. Einfach deshalb, weil ich den Reben und Rieden dort mehr zutraue. Die höherpreisigen Weine in meinem Sortiment sind Lagenweine und nach Weingärten sortiert. Das nehme ich sehr ernst. Dadurch habe ich in der Spitze nur sehr kleine Mengen zur Verfügung. Mit diesen Mengen experimentiere ich, vergäre den Veltliner Ladisberg beispielsweise zum Teil auf der Maische und zum anderen Teil nicht. Das Ergebnis stelle ich dann gegenüber und lerne. Bei meinen Basisweinen, wie dem Blaufränkisch vom Kalk gibt es weniger Platz für Experimente. Da geht es in erster Linie darum niemanden vor den Kopf zu stoßen und dem Geschmacksbild, an das sich meine Kunden über die Jahre gewöhnt haben, weitgehend treu zu bleiben. Was nicht heißt, dass die Erfahrungen aus meinen Experimenten nicht auch in diese Weine einfließen würden.

WP
Nicolas Joly meinte einmal, dass jemand der eine landwirtschaftliche Schule verlässt, zum Dummkopf geworden sei und man vieles erst wieder verlernen müsse. Hast Du in Deinem Leben schon einmal „Tabula rasa“ gemacht um wieder eine klare Sicht auf die Dinge zu bekommen?

MA
Ich verstehe was Joly damit meint, aber für mich war das bisher so nicht notwendig. Vielleicht liegt es daran, dass ich meinen Beruf nicht im klassischen Sinn erlernt habe. Ich hatte keine vorgefertigten Meinungen, keine Schubladen in die etwas hätte passen müssen. Mein Zugang war unbefangen, weil ich gar nicht wusste, wie man einen Wein im Werdungsprozess von außen reguliert. Entwickelte ein Wein einen unangenehmen Beigeschmack, habe ich ihn einfach belüftet. Wurde er zu oxidativ, habe ich mit dem behutsamen Einsatz von Schwefel gegengesteuert, und wollte ich eine Eigenreduktion auslösen, wurden die Hefen nochmals aufgerührt. Das waren neben dem Faktor Zeit meine einzigen Werkzeuge. Mehr gab und gibt es da nicht.

WP
Die Nähe zur Natur ist ein wesentlicher Bestandteil Deiner Arbeit. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft so bleiben. Wo siehst Du Dich und Deine Arbeit in 10 Jahren?

MA
Wenn ich an die Abläufe, das Procedere des Weinmachens an sich denke, dann bin ich weitgehend angekommen. Da möchte ich auch nicht mehr viel verändern. Wir haben in den letzten Jahren Weichen gestellt und Richtungen festgelegt. Jetzt geht es um die Feinabstimmung. Darum noch mehr Exzellenz zu schaffen und noch mehr Feingefühl für das zu entwickeln was ich tue. Meine darüber hinausgehenden Ziele sind sehr weltlich. Wir müssen beispielsweise das alte Gebäude gegenüber sanieren und mehr Raum für den Wein schaffen. Das war es dann aber auch schon.

WP
Vor etwas mehr als einem halben Jahr sind Deine Frau Bernadette und Du zum ersten Mal Eltern geworden. Eure Alma ist eine gänzlich neue Erfahrung für Euch. Dinge werden neu sortiert, manches was Früher wichtig war, erscheint plötzlich unwichtig. Was wollt Ihr Alma für ihr Leben und ihre Zukunft mitgeben?

MA
Alma wünsche ich eine gute Portion Selbstvertrauen, und dass sie zum richtigen Zeitpunkt „Nein“ sagen kann. Am allermeisten aber wünsche ich mir für sie, dass sie gute Freunde findet, und auch selbst einmal ein guter Freund ist. Dann kommt man gut durchs Leben und hat die Basis für alles was kommt geschaffen. Das ist Wunsch genug.